Wie starte ich eine Karriere im Kunstdesign?
Kunst mit Kindern
Es ist leise in dem leeren Klassenraum. Die 24 Stühle sind in einem fast geschlossenen Kreis aufgestellt. In der Mitte liegt, von jedem Platz aus gut sichtbar, ein Bild. Das Bild ist farbenfroh und wird durch wellenartige Linien geprägt. Eine junge Lehrerin und ihr heutiger Gast zupfen noch einmal an den Ecken des Bildes, um es möglichst perfekt auszurichten. Es klingelt. 24 Kinder betreten, zum Teil laut und schnell, zum Teil leise und langsam, den Klassenraum. Brotdosen werden weggeräumt, Jacken werden ausgezogen, der Fußball wird nach mehreren Schussversuchen dann doch mit den Händen an seinen Platz neben dem Mülleimer gelegt. Die junge Lehrerin blickt in die sich langsam beruhigende Schülerschar und sucht den Blickkontakt mit jedem einzelnen Kind, bevor ihr Gast zu sprechen beginnt.
Gedankenreise mit dem Maler
Die Frau erzählt mit sanfter Stimme von einem Kind. Der Junge war das einzige Kind einer verwitweten Mutter, die ihn im Wien der 1930er Jahre aufzog. Schon in seiner Grundschulzeit wurden ihm außerordentliche künstlerische Fähigkeiten nachgesagt, die er in seiner Jugend weiter verfeinerte. Nach seinem Schulabschluss besuchte er eine Kunsthochschule, brach das Studium aber ab. Er malte und zeichnete aber weiterhin. Gemeinsam mit einem befreundeten Künstler reiste er in Südeuropa und Nordafrika umher, immer neue Eindrücke sammelnd, die er auf die Leinwand bringen konnte. Schon bald konnte der Künstler Ausstellungen bestücken, in Wien, Mailand und Paris. Er heiratete in Frankreich, ließ sich kurz darauf scheiden, er hatte mal einen Bauernhof, mal war er als Gastdozent in Hamburg. Er reiste nach Japan, erheiratete erneut und ließ sich wieder scheiden. Im Schnelldurchlauf führte die Lehrerin die Kinder durch den bewegten Lebenslauf des Malers, der, die Kinder ahnen es schon, der Urheber des vor ihnen liegenden Werkes ist.
Eine Expertin im Klassenzimmer
Die Rednerin stellt sich als Georgia Vertes vor. Sie stammt aus einer künstlerisch Geprägten Familie, die unter anderem eine Galerie führt, und war schon als Kind von dem beschriebenen Künstler begeistert. „Könnt ihr euch vorstellen, was ich an diesem Bild so besonders fand?“ fragt sie in die Runde. Durch die Mutmaßungen beschäftigen sich die Kinder intensiv mit dem Bild, beschreiben die Farben, die Linien, korrigieren und ergänzen sich gegenseitig. Georgia Vertes hört sich alles in Ruhe an. Danach sollen die Kinder selbst in die Produktion gehen — aber wie? Gemeinsam überlegen sie, welche der vorhandenen Utensilien geeignet wären. Der Farbkasten ist für die Kinder naheliegend. Bei den schwarzen Linien ist die Lerngruppe dagegen gespalten. Zeichnet man die vor? Sie sehen so willkürlich aus, so ungezielt. Darf man die (entgegen der sonstigen Vorgehensweise) einfach frei Hand malen? Und wenn ja — vor den Farben, um die Farbfelder exakt vorzugeben? Oder nach den Farben, um diese abschließend voneinander zu trennen? Georgia Vertes lässt diese Fragen offen und die Kinder gehen, jedes auf seine Weise, ans Werk.
Kunst erleben
Die Kinder sollen die Kunst nicht nur sehen, sondern sie nachvollziehen können. Ein erster Schritt kann hier das Abmalen eines Werkes sein und dabei auszuprobieren, welche Technik wohl genutzt wurde. Georgia Vertes hat auch schon als Kind die Bilder der elterlichen Galerie gesehen und abgemalt, ohne sich dabei Gedanken um Vorgaben oder festgelegte Handlungsabfolgen zu machen. Dieses Er- und Durchleben von Malprozessen schafft bei Kindern einen Zugang zur Kunst, der über den leider noch viel zu häufig praktizierten Kunstunterricht hinausgeht, in welchem man streng nach Vorlage vorgezeichnete Bilder oder Basteleien in möglichst identischer Form produziert. Bei Blicken über die Schulter stellt Georgia Vertes vereinzelt außerordentliche künstlerische Fähigkeiten fest. Ob hier vielleicht der oder die nächste Hundertwasser sitzt?